Was macht einen Mann zum Mann?
Was macht einen Mann zum Mann?
Echter Mann, echter Vater – Teil 02
In der ersten Folge der Netflix-Serie „The ONE“ kommt es in einer Bar zu einem Wortgefecht zwischen der Hauptdarstellerin Rebekka und einem unbekannten Mann. Als dieser ausfallend wird, verteidigt Hannahs Freund Ben sie und weist auf ihren Doktorabschluss hin. Daraufhin knallt der Mann Bens Kopf auf den Tisch und verlässt die Bar.
In einem Nachgespräch zwischen Rebekka und Ben kommt es zu folgendem Wortwechsel:
Rebekka: „Wieso hast Du mich verteidigt? Das war nicht nötig.“
Ben: „Oh ja, ich weiß. Entschuldige.“
Rebekka: „Ich war ganz nah dran ihm selbst eine zu klatschen.“
Pause. Lächeln.
Rebekka: „Das war sehr nett von Dir.“
Ben: „Ich bin also kein sexistischer Schwachmat?“
Mit seiner Frage drückt Ben die Verunsicherung einer ganzen Generation Männer aus. Vor 50 Jahren wäre Ben vermutlich aufgestanden und hätte sich mit dem Mann geprügelt. Vor 25 Jahren hätte er die blutige Nase einfach weggesteckt und sich darüber gefreut, seiner Freundin beigestanden zu haben. Heute bekommt Ben nicht einmal ein einfaches Danke, sondern muss sich für sein schützendes Verhalten entschuldigen und fürchten für sexistisch gehalten zu werden.
Status quo
Nach einer Untersuchung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung sind 65% aller Väter verunsichert. „Das Selbstbild vieler Männer und Väter ist brüchig geworden. Sie wissen nicht mehr, was sie über sich denken sollen.“¹ Seit dem Beginn der Frauenbewegung haben tiefgreifende Veränderungen die männliche Gesellschaft erschüttert. Und so notwendig dieser revolutionäre Umbruch war, so krisenhaft hat sich der Kampf der Geschlechter auf die Familie und damit auf die nachfolgenden Generationen ausgewirkt.
Wenn ein Mann sich seiner selbst nicht mehr sicher ist, wie soll er dann Vater sein? Eine Rolle bei der er in ständiger Verhandlung und Absprache mit einer Frau steht? Viele Männer lassen deshalb ihre Frauen alles Familieninterne regeln und kümmern sich eher um sich selbst und äußere Angelegenheiten. Dabei wird der große Vorteil der komplementären Erziehung verspielt, bei der die Kinder von den jeweiligen Stärken beider Geschlechter profitieren. Aus diesem Grund müssen wir Männer wissen, wer wir sind. Am besten bevor wir Väter werden.
Bezeichnenderweise waren es in meinem Leben vor allen Dingen Frauen, die mir geholfen haben, meine Identität zu finden. Eines der Bücher, die mich sicher am meisten geprägt haben, „Der ungezähmte Mann“ von John Eldredge, wurde mir 2006 von meiner besten Freundin geschenkt. Meine Mutter, eigentlich ein sehr sicherheitsliebender Mensch, hat mich ermutigt meinem Herz zu folgen und Design zu studieren, als ich mir noch unsicher war, ob ich nicht lieber einen Brotjob erlernen sollte. Meine Frau Julia hat mich schon in unserer Verlobungszeit dazu ermutigt, ein Meditationswochenende in den Schweizer Bergen zu besuchen – der wahre Beginn meiner Reise zu mir selbst. Und als ich immer wieder meinen Plan PALADIN zu gründen hinterfragte, war es eine Arbeitskollegin, die das bemerkte und mich durch ein paar von Herzen kommende Zeilen ermutigt hat, dran zu bleiben.
Männer sind Macher, hat man früher gesagt. Männer sind müde, muss man heute sagen. Kein Wunder wenn doch alles, was sie ausgemacht hat, zur Verhandlung steht. Wenn sie, selbst wenn sie sich nur verbal einmischen, wie Ben, eingebremst werden. „Ob jemand biologisch Mann oder Frau ist, darf nicht den Rest seines Lebens definieren“, sagt Alice Schwarzer. Was dann? Wann ist ein Mann ein Mann?
Das muss jetzt sein
Ohne die Vielfalt innerhalb der Geschlechter und die Überschneidungen von Mann und Frau zu ignorieren oder alte Klischees kultivieren zu wollen: Männer und Frauen sind von Geburt an absolut unterschiedlich. Alle Versuche, die Unterschiede zwischen Mann und Frau als rein erziehungsbedingt zu erklären, sind ins Leere gelaufen. Mann und Frau bleiben unterschiedlich, auch wenn Politik oder Wissenschaft per Definition etwas anderes erklären. So schreibt Thomas Schirrmacher in seinem Buch „Moderne Väter“, dass Anne Moir und David Jessel stellvertretend für andere Forscher in ihrem Buch „Brainsex: Der wahre Unterschied zwischen Mann und Frau“ dargestellt haben, dass die Unterschiede von Mann und Frau bereits in unserem Gehirn deutlich werden.²
Er zitiert aus der Buchbesprechung des Verlages: „Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind gewaltiger als wir vermuten, da ihre Gehirne, und damit ihre geistigen Kapazitäten, sich diametral (= gegensätzlich) unterscheiden. Das liegt jedoch nicht an der Gesellschaft oder der Erziehung, sondern ist allein durch physiologische Entwicklungen im Mutterleib bedingt. Die Autoren weisen nach, dass Männer zum Beispiel auf dem Gebiet des logischen Denkens, der Erfassung mathematischer Zusammenhänge oder der Orientierung in einem geografischen Raum Frauen überlegen sind, während diese einen klaren Vorsprung bei Intuition und Emotion haben. Auch der Umgang mit Sprache fällt Frauen leichter als Männern […]. Es geht den Autoren keineswegs darum, frauenfeindliche Thesen aufzustellen oder Errungenschaften der Emanzipationsbewegung zunichte zu machen. Sie wollen vielmehr durch wissenschaftlich exakt beweisbare Tatsachen den Weg zu einem neuen Rollenverständnis öffnen, in dem jeder seine Fähigkeiten erkennt, um sie in einer Verbindung, dem Berufsleben oder in der Gesellschaft sinnvoll einbringen zu können.“
Wie man Männlichkeit definieren sollte
Die Definition von Männlichkeit ist also weder in der Totalauflösung jeglicher Unterscheidungsmerkmale, noch in der Verharrung in Klischees zu finden. Sie sollte eher das Beste im Mann suchen und ihn befähigen eben dies aktiv in Beziehungen einzubringen. Eine solche Definition habe ich in dem Buch „Mann, unrasiert“ von Marcel Hager gefunden.
Ich bin + Ich tue = Ich bin, deshalb tue ich.
Wenn wir wissen, dass Männer, wissenschaftlich nachvollziehbar, anders als Frauen sind, gibt es auch spezifisch männliche Eigenschaften, die, je nach Mann, unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Wer wir sind, definiert sich also durchaus auch aus unserer Physis. Aber nicht nur. Unser jeweiliges Sein ist auch die Folge unserer Beziehungen und Prägungen – allen voran die Beziehung zum eigenen Vater.³ So sind wir: Individuell. Einzigartig. Nicht kategorisierbar. Wir sind. Ich bin!
Aus diesem „Ich bin!“ darf und sollte dann auch ein „Ich tue“ werden. Was nützt es uns, wenn wir feststellen, was und wer wir sind, wenn wir uns im Anschluss aus allem heraushalten? Vor allem unsere Beziehungen brauchen genau uns. Unsere Freunde sind wegen uns mit uns befreundet. Deine Frau liebt Dich wegen Dir. Deine Kinder wollen Dich! Bring Dich ein. Sei Du selbst und werd initiativ. Sei kein Ben, der sich für sich selbst entschuldigt, sondern steh DEINEN Mann.
Und dann bring Beides zusammen: Weil Du bist, tust Du. Und nicht umgekehrt. Überlass nicht anderen die Deutungshoheit über Deine Taten. Wenn Du anderen erlaubst Dich über Deine Taten zu definieren, dann spielst Du in Deinem eigenen Leben keine Rolle mehr. Dann bist Du nur ein Diener der Erwartungen anderer. In Dir steckt aber mehr. Du bist ein feiner Kerl. Das, was du einbringen kannst, ist was wert. Wenn Dir das so noch niemand gesagt hat, dann lass mich das tun: Du bist ein echter Mann. Punkt. Jetzt geh‘ raus, sei Du selbst und pack Dein Leben an.
Quellen
¹ Cordes, „Die verlorenen Väter“, S.9
² Moin/Jessel, Brainsex, vgl. die in Degen, „Kleine Differenzen“, vorgestellten Untersuchungen
³ Horst Petri, Das Drama der Vaterentbehrung, S. 18
Daniel Janzen
Daniel Janzen ist Designer, Illustrator und Texter. Er begleitet Menschen, die Ermutigung brauchen und coacht mit seiner Frau junge Paare.