Fertigpaket oder Spezialist?

Fertigpaket oder Spezialist?

Moralische Autorität 01:
Warum die Suche wichtiger ist, als die Antwort

Vor ein paar Monaten wollte ich meine Ernährung auf Vordermann bringen. Eine Freundin empfahl mir das passende Produkt eines großen Unternehmens. Was mich mehr überzeugte, als ihr Versprechen, dass es wirken würde, war, dass es ein perfekt abgestimmtes, fertig vorbereitetes Programm war. Ein Fertigpaket! Ich musste nichts recherchieren, nichts einkaufen. Einfach loslegen – alles was ich dazu brauchte, war schon drin. Perfekt.

Nach ein paar Tagen brach ich das Programm ab. Mir ging es gar nicht gut. Die Leute, die das Programm mit mir gestartet hatten, zogen durch und einige konnten von guten Erfolgen berichten. Ich nicht. Für mich war es nicht das Richtige. Was ich brauchte, beantwortete mir dann ein Spezialist. Nach dieser Erfahrung suchte ich nämlich meinen Hausarzt auf. Dort haben wir mein Blut untersuchen lassen, er hat mir zugehört und mich beraten. Und dann hat er mit mir gemeinsam ein völlig anderes Programm zusammengestellt. Speziell nach meinen Bedürfnissen.

Mein Lerneffekt: Ob ich ein Fertigpaket kaufe oder einen Spezialisten aufsuche, sind zwei völlig verschiedene Erfahrungen. Eine fertige Standardlösung ist ein sehr allgemeines, fast mechanisches Verfahren, um ein Problem zu lösen, das eine Menge verschiedener Ursachen haben kann. Wenn ich dagegen einen Spezialisten aufsuche, werden eine Menge sorgfältiger, fallbezogener Untersuchungen gemacht, bevor man eine individuelle Lösung vorschlägt.

Viele Kinder erleben im Umgang mit ihren Vätern ein ähnliches Verhalten wie beim Fertigpaket: zu allgemein, zu vordefiniert, zu unpersönlich. Sie würden es vorziehen, von ihrem Vater persönlich verstanden worden zu sein. Kinder möchten wissen, dass ihre Väter die Antworten, die sie ihnen geben, nicht aus der Konserve holen. Sie wünschen sich, dass ihre Väter tiefer graben. Manchmal fühlen Kinder sich sogar sicherer, wenn ihr Vater nicht gleich eine Antwort zur Hand hat, sondern erst einmal sagt: „Das weiß ich nicht“, und sich dann auf die Suche macht. Das was dabei entsteht, wenn wir nicht nur Recht, sondern die wirklich passende Antwort haben wollen, ist: moralische Autorität.

Als Vater möchte man natürlich am liebsten immer glänzen. Alles wissen. Alles können. DER Typ sein. So wie damals, als wir die Mutter unserer Kinder kennengelernt haben. Aber damals wie heute gilt: Wenn Du willst, dass andere Dich und Deine Antworten respektieren und wertschätzen, dann musst Du moralische Autorität haben. Das bedeutet, dass deine Autorität nicht allein auf deine eigene Klugheit und deine eigene Stärke gegründet sein sollte. Andere, zum Beispiel auch Deine Kinder, sollten stattdessen sehen können, dass Du darum ringst das Richtige zu tun und zu sagen. Dass Du Dich selbst höheren Idealen unterworfen hast. Folgendes Schema kann helfen:

Das Äußere, unser Körper, spiegelt unser sichtbares Verhalten. Das was andere Menschen von uns wahrnehmen. Das Mittlere, die Seele, ist der Ort, wo dein Wissen, deine bisherigen Erfahrungen und Gefühle sind. Dieser Teil stellt unsere Sicht auf uns und unsere Umwelt dar. Das Innere, unser Geist, birgt unser Gewissen. Hier gehen wir über uns hinaus und suchen den Dialog mit Autoritäten außerhalb von uns selbst.

Beziehungen auf körperlicher Ebene

Wenn Deine Kinder merken, dass Dein Handeln gar nicht von deiner Seele oder deinem Geist beeinflusst wird, werden sie schnell misstrauisch und ängstlich. Denn dann sehen sie Dein Herz nicht und können keine richtige Beziehung zu Dir aufbauen. Sie werden vielleicht versorgt, aber mit deinen Launen, deinen Bedürfnissen, ändert sich auch dein Verhalten. Du bist unberechenbar.

Beziehungen auf seelischer Ebene

Wenn Deine Kinder sehen, dass Du Dich mit deinem Verhalten auseinandersetzt, darüber nachdenkst und aus Erfahrungen lernst, wächst ihr Vertrauen. Sie entwickeln einen gewissen Respekt vor Dir als Vater. Doch mit zunehmendem Alter durchschauen sie Dich auch. Sie sehen, wo Du stecken bleibst. Wo Deine Schwächen sind und wo Deine Wahrnehmung nicht der Wahrheit entspricht. Deine Autorität und damit dein Einfluss auf ihr Leben ist begrenzt, weil sie nur auf Dir selbst beruht. Und Du bist fehlbar.

Beziehungen auf geistiger Ebene

Wenn Deine Kinder aber mitkriegen, dass Du Dein Verhalten und Dein Denken an anderen, an größeren Geistern misst, dann wächst Ihr Vertrauen in Dich. Sie sprechen Dir Autorität zu, weil sie sehen, dass Du um Einsicht und Wahrheit ringst. Dass Dir die einfachen Antworten, die Fertigpakete, nicht genug sind. Dass Ihr Vater Spezialisten aufsucht, um für Ihre Probleme und Fragen die besten Lösungen zu finden. So wird moralische Autorität entwickelt. Kinder wünschen sich instinktiv, dass ihre Väter eine höhere Autorität anzapft und sie mit dem Geist des Lebens in Kontakt bringen. Sie müssen wissen: „Papa und ich unterstehen einer höheren Autorität.“

Für mich als Christ, ist diese Autorität Gott. In der Bibel finde ich mehr funktionierende Lebensweisheiten, als ich umsetzen kann. Und durch die persönliche Beziehung, die ich zu Gott habe, bekomme ich die Reflexion, die ich brauche, um mich nicht in meiner eigenen Filterblase zu verfangen. Meine Kinder spüren das. Wer oder was ist deine höhere Autorität? Wer darf Dich in Frage stellen und deinen Kindern dadurch zeigen: ich bin nicht hilflos der Meinung meines Vaters ausgeliefert, sondern da gibt es noch etwas Größeres, für das ich, genau wie er, leben kann. Wofür lebst Du?

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Daniel Janzen

Daniel Janzen ist Designer, Illustrator und Texter. Er begleitet Menschen, die Ermutigung brauchen und coacht mit seiner Frau junge Paare.